|
Gerd Sonntag
Meine Bilder verhaftet
Ihr Malgründe,
Pappen, ihr Linien auf Leinwand. Befehl kam und
Tür schlug. Ich schrieb eure Namen Auf ein
Papier, vor mir hingelegt, Zu füllen mit Verrat
das noch leere. Steifauge. Fusel. Geschoss machen
Bauch auf. So rief ich Euch nach. Ihr wart schweigend.
Ihr ließet mich
zurück allein, Totsein und Totmachen, tiefe
Ehe, Träume aus Südsee und Lebenwollen,
Porträts ihrer Dinge, von mir errichtet.
Bild des Soldaten, du warst kein Soldat mir Und
ich zu schwach dazu.
Die Wächter, sie
sprachen nicht laut: Ihr Wille würde sich Wege
ziehen Durch euere aufzureißende Haut.
Ich hatte euch nicht verteidigt, Nur für euer
Dasein gesprochen, Worin verloren ich euch nicht
mehr fand,
Wovon ich nicht schreiben
kann.
Oranienburg / 1976
4 - 5 Monate vor dem Ende meines
Wehrdienens in der DDR-Armee, wurden meine auf einem
Kasernen-Dachboden gemalten Bilder von der Behörde
kassiert und später eingemüllt, ich selber
kurzzeitig festgesetzt. Auf einigen meiner Leinwände
war der Suizid von Soldaten umschrieben, Waffen, Hände,
unbeweglich geworden die verdrehten Augen, auf anderen
die Lust, die Trunkenheit, Krüge, Flaschen, Gläser.
Gemalt hatte ich damals auf abgelegte Spruchbänder,
die ich mir in der Kaserne einsammelte. Das war 1976.
Ich war bereits 22 Jahre alt und schrieb mir diese Zeilen.
Gerd Sonntag in:"glossen" 27/2008,
Herausgeber: Dickinson College, Pennsylvania, USA
(dazu gehören
die Fotos vom Dachboden der Kaserne)
|
|